Schuldiger gesucht: Übeltäter Schnee

Heute ein Experiment: Schließt Eure Augen, sagt einmal laut “Schneechaos” und haltet die Bilder fest, die durch Euren Kopf rattern. Hab ich auch gemacht. Und weil ichs beweisen wollte, hab ich das einfach in die Google Bildersuche eingegeben. Die Bilder zeigen, was unauffällig “Schneechaos” genannt wird, meint in der Regel ein “Verkehrschaos bei Schneefall”. Stopp, das ist nicht ganz richtig, es ist vor allem ein “Autochaos” bzw. noch genauer: “Unannehmlichkeiten für Autofahrer:innen, hervorgerufen durch Schneefall”.

Es sind die Autofahrer:innen, denen der Schnee besonders zu schaffen macht. Darum wird zuallererst über die ihnen entstehenden Schnee-Unannehmlichkeiten medial berichtet. Demzufolge werden diese Auto-Unannehmlichkeiten in der Regel auch als allererstes beseitigt. Denn der Verkehr, äh unsere Autos müssen schließlich rollen. Der Rest kann und muss warten.

Das ist auch gar nicht schlimm, es zeigt nur einmal mehr: Die Brille, mit der wir auf unsere Welt schauen, fährt auf vier Rädern und heißt Auto. Dadurch entgeht uns natürlich eine Menge.

Zum Beispiel, dass Autos (mit Winterreifen) viel besser durch den Schnee fahren können als Fahrräder. Und die unfreiwillige Bürgersteig-Rutschpartie endet eben auch schnell im Krankenhaus. Aber hier sollen diese drei Gruppen gar nicht gegeneinander ausgespielt werden. Denn in der Regel sind wir alle ja Mitglied in allen dreien. Wir sollten uns Menschen hier einmal nicht so ernst nehmen.

Was nämlich am schlimmsten ist: Das alles ist ziemlich unfair gegenüber dem Schnee. Das Wort “Schneechaos” ist eine Wegschiebe-Vokabel. Sie schiebt leichtfüßig die Verantwortung weg, wie ein Häufchen Pulverschnee. Ein menschliches Hilflosigkeitsgefühl, das entsteht, wenn man Auto fahren möchte und Schneefall einsetzt, wird knallhart dem Schnee in die Schuhe geschoben. Die Wortverbindung aus “Schnee” und “Chaos” sagt uns, der Schnee sei schuld.

Das geht so nicht weiter. Denn, ich muss gestehen, ich mag Schnee. Ich finde, es schneit zu selten. Die Kinder lieben Schnee. Sie können rodeln im Park.

Lieber mehr Schnee und öfter zu spät kommen. Wenn es keinen Schnee mehr gäbe, wäre das sehr traurig. Das Autochaos heizt die Erde auf und nimmt uns die Luft. Wir nennen es “Stadtverkehr”.


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Heute ein Experiment: Schließt Eure Augen, sagt einmal laut “Schneechaos” ☃️❄️ und haltet die Bilder fest, die durch...

Gepostet von Wortgucker am Mittwoch, 3. Februar 2021