Das Grenz-Framing der Beitragsbemessungsgrenze

Das Grenz-Framing der Beitragsbemessungsgrenze

Es tut mir leid, aber es muss sein. Es ist einfach zu wichtig. Darum heute Bürokratendeutsch-Sprachkritik. Es geht um die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze. Sie begrenzt, was reiche(re) Menschen für z.B. die Krankenversicherung zahlen müssen. Nur leider heißt sie nicht so. Und das liegt am Grenzframing.

Grenzframings kennen wir aus allen möglichen Debatten. Z.B. kennen wir aus der Fluchtkrise das „AFD-Grenzframing“ vom „Grenzschutz“ und der „Festung Europa“. Hier soll die „Grenze“ böse Migranten fernhalten. Das ist die Logik der Grenze: Sie soll in der Regel vor etwas oder jemandem schützen. Dieses etwas oder dieser jemand ist also eine „Bedrohung“.

So unmenschlich argumentiert die Beitragsbemessungsgrenze freilich nicht. Aber fast. Das wird deutlich, wenn folgende Fragen gestellt werden: Wovor schützt sie und vor allem, wen schützt sie?

Für Laien klingt es fast so, als schütze die Beitragsbemessungsgrenze vor Beiträgen. (Das scheint der Grund, warum sich keiner so richtig dagegen auflehnt.) Versiertere Menschen wissen jedoch, die Beitragsbemessungsgrenze schützt vor weiterer Beitragsbemessung.

Das ist echt komisch, denn: Viele Menschen, die vor dieser Grenze ausharren, glauben in der Tat, durch diese Grenze geschützt zu werden, weil sie nur bis zu einem Einkommen von 4837,50€ immer höhere Beiträge zahlen müssten. Und das ist die sehr große Mehrheit der Arbeitnehmer:innen. [1]

Die Grenze schützt indessen nur die vergleichsweise kleine Minderheit jener, die mehr verdienen als ca 60.000€ pro Jahr. So zahlen durch diese „Grenze“ Reichere umgerechnet viel weniger für die Leistungen (auch wenn der Preis einzelner Leistungen gleich bleibt). Die Kosten fallen einfach bei Reicheren weniger ins Gewicht. Besser Verdienende kriegen zwar die gleiche Behandlung, geben dafür anteilig aber viel weniger. Und: Dass Reichere gleiche Beiträge zahlen, wie Ärmere bedeutet ebenso, dass Ärmere höhere Beiträge zu leisten haben, als sie eigentlich müssten, wenn es ein echtes Solidarprinzip gäbe.

Ich weiß, das Thema ist komplex und wer 60.000€ im Jahr verdient, ist nicht reich. Aber es geht ums Prinzip, nur so kriegt man auch die sehr Reichen an den Kassentisch. Ich weiß, die „Beitragsbemessungsgrenze“ wird auch so ver-argumentiert, dass es mit ihr gelingt, Gutverdiener in der gesetzlichen KV zu halten, statt sich privat zu versichern. Denn aus Sicht der „Besserverdienenden“ ist sie ja ein Schnäppchen. Aber wisst Ihr was?

Genau DAS ist DAS PROBLEM. Für die Reichen ist es ein Einkauf hinter der Grenze.

Die Beitragsbemessungsgrenze ist ein Wort aus dem Mund der Reichen, zum Schutz vor den Ärmeren. Für all jene, die vor dieser Grenze liegen – also die Mehrheit – könnte man sie auch das „Aussetzen des Solidarprinzips“ nennen – oder schlicht Reichenförderung.

1: https://de.statista.com/…/jahreseinkommen-einkommensteuerp…/


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Gepostet von Wortgucker am Mittwoch, 6. Januar 2021